- Trinkwasser: Gewinnung und Versorgung
- Trinkwasser: Gewinnung und VersorgungIn der Frühzeit der Sammler- und Jägerkulturen trank oder schöpfte der Mensch das Wasser unmittelbar aus dem jeweils verfügbaren Gewässer. Dabei wählte er, wenn möglich, zweifellos sein Trinkwasser nach Qualitätskriterien wie Geruch, Geschmack, Temperatur oder Klarheit aus. In Trockengebieten dürfte der Mensch früh die Erfahrung gemacht haben, dass durch Anlegen von Löchern an feuchten Stellen oder Vertiefen von trockengefallenen Wasserlöchern Wasser gewonnen werden kann. Für Wildbeuter, die ein großes Gebiet auf der Nahrungssuche durchstreifen, ist in trockenen Klimaten die Kenntnis von Wasserstellen oder die Fähigkeit zum Aufspüren von genießbarem Süßwasser eine Voraussetzung zum Überleben. Diese schon in weit zurückliegenden Zeiten erworbenen Fähigkeiten lassen sich heute noch bei den San (den Buschmännern) der Kalahari im südlichen Afrika beobachten.Als die Menschen mit Einführung des Ackerbaus (vor etwa 11 000 Jahren) sesshaft wurden, spielte das ausreichende Vorkommen von Süßwasser bei der Wahl des Ansiedlungsortes eine wesentliche Rolle. Pflanzenanbau konnte anfangs nur dort betrieben werden, wo ausreichend Regen für das Pflanzenwachstum fiel oder aus anderen Gründen eine hohe natürliche Bodenfeuchtigkeit vorlag. Andere Süßwasserressourcen mussten also nur für die Trinkwasserversorgung von Menschen und Haustieren in ausreichender Menge verfügbar sein. Genutzt wurden anfänglich Quellen und Oberflächengewässer, aber auch Grundwasser, das mittels Brunnen erschlossen wurde. Niederschlagsarme Gebiete konnten erst nach Erfindung der Bewässerung landwirtschaftlich genutzt werden. Dabei spielten Flüsse für die ersten Hochkulturen der Alten Welt eine entscheidende Rolle: der Nil für Ägypten, Euphrat und Tigris für Mesopotamien, der Indus für die Induskultur auf dem Gebiet des heutigen Pakistan, Hwangho und Jangtsekiang in China. In Wassermangelgebieten entstanden früh Speicheranlagen, die eine Wasserversorgung in trockenen Jahreszeiten sicherstellen sollten. Mit steigender Bevölkerungszahl und sich verändernden technischen sowie zivilisatorischen Errungenschaften vollzogen sich im Laufe der Menschheitsgeschichte Wandlungen in der Trinkwasserversorgung, die im Folgenden anhand der verschiedenen Wasserressourcen dargestellt werden.Trinkwasser aus QuellenQuellen werden von alters her gerne zur Trinkwassergewinnung genutzt. Sie stehen jedoch nicht überall zur Verfügung oder haben im Jahresgang so stark wechselnde Wasserführung, dass die Nutzung schwierig ist. Manche Quellen haben auch unzureichende Wasserqualität; in den Karstquellen von Kalkgebieten beispielsweise tritt Oberflächenwasser wieder zutage, das oft nur wenige Kilometer entfernt in Hohlräume des Gesteins eingedrungen und daher nur eine kurze Strecke unterirdisch geflossen ist. Die Qualität dieses Karstquellenwassers entspricht der eines Oberflächenwassers, da die bei der Entstehung echten Grundwassers zwischengeschaltete Bodenpassage mit ihrer Filterwirkung entfällt. In der besiedelten und genutzten Landschaft wird die Qualität des Quellwassers oft durch im Bereich der Quellfassung oder ihrer näheren Umgebung versickernde Abwässer verunreinigt. Das ist besonders häufig der Fall bei Hangquellen unterhalb von Höhensiedlungen oder von Viehweiden. Die Quellwasserqualität kann bei bestimmten geologischen Gegebenheiten auch natürlicherweise stark eingeschränkt sein, beispielsweise durch Iodmangel (eine Folgeerscheinung ist das Auftreten des endemischen Kropfes in manchen Alpentälern).Quellwasserversorgung von Siedlungen hat eine lange Tradition. Das alte Jericho (Siedlungsbeginn vor etwa 9000 Jahren) lag an einer nie versiegenden starken Quelle; die im heutigen Israel liegende befestigte Stadt Megiddo machte sich im 12. Jahrhundert v. Chr. eine außerhalb der Burgmauern liegende Quelle über einen begehbaren Schacht in der Burg und einen Verbindungstunnel nutzbar. Eine ähnliche Konstruktion gab es im alten Jerusalem. Viele römische Städte wurden über lange Wasserleitungen (Aquädukte) mit Quellwasser versorgt.Bereits die Römer zogen Quellwasser vorBemerkenswert ist, dass auch in der damals römischen Stadt Colonia — dem heutigen Köln — nicht der unmittelbar an der Stadt liegende wasserreiche Rhein als Trinkwasserspender genutzt wurde, sondern Quellwasser aus der Eifel über eine rund 95 Kilometer lange Leitung herangeführt wurde. Die Wasserqualität des Rheins war offensichtlich schon vor 1900 Jahren den Römern für ihre Ansprüche zu schlecht; als Kriterien müssen dabei vor allem die Trübstoffführung des Fließgewässers und die hohen Sommertemperaturen gelten. Da die Abwässer römischer Städte wenn möglich in Fließgewässer abgeleitet wurden, könnte auch dies ein Argument gegen die Nutzung von Fließgewässern gewesen sein, natürlich ohne dass die heutigen Kenntnisse über die Ausbreitung von abwasserbürtigen Krankheiten (Krankheiten, deren Erreger durch Abwasser übertragen werden) vorlagen. Die Auswirkungen starker Abwasserbelastung auf Trübung, Geruch und andere allgemeine Merkmale der Wasserqualität kannte man aber sicher aus dem Tiber in Rom.Die mittelalterlichen europäischen Städte bauten in ihrer Wasserversorgung nicht auf dem römischen Standard auf. Anstelle von Quellwasserfernversorgung trat Flusswasser- und Brunnennutzung. Im ländlichen Raum spielte die Quellwassernutzung zur Versorgung von Dörfern oder kleineren Verbrauchereinheiten eine große Rolle, die in Deutschland erst Mitte des 20. Jahrhunderts stark an Bedeutung verlor. Quellwasser wurde durch eine Quellfassung (Quellstube, Brunnenhaus) gewonnen, die praktisch zugleich einen Vorratsbehälter darstellt. Lag die Quelle im Gelände oberhalb der Siedlung, so konnte das Wasser unmittelbar dem Gefälle folgend zum Verbraucher gelangen. Bei Höhensiedlungen mussten Hebeeinrichtungen zum Wassertransport verwendet werden. Die kleinen Quellwasserversorgungsanlagen im ländlichen Raum hatten in der Regel wenig Wasserdruck, sodass moderne sanitäre Anlagen wie Wasserklosett (WC) oder Dusche nur mit Schwierigkeiten betrieben werden konnten oder darauf verzichtet werden musste. Dies und die zunehmende Verunreinigung des Quellwassers waren Gründe für die Einführung neuer, zentraler Großwasserversorgungsanlagen, zum Beispiel auf der Basis von Trinkwassertalsperren.Trinkwasserversorgung aus GrundwasserFehlen Quellen und geeignete Oberflächengewässer, kann zur Trinkwassergewinnung in vielen Gegenden — jedoch nicht überall — auf Grundwasser zurückgegriffen werden. Steht dieses sehr hoch, das heißt bis nahe der Erdoberfläche, so kann es durch einfache gegrabene Wasserlöcher und wandlose Moorbrunnen erschlossen werden. In diesen Gruben sammelt sich aber auch Niederschlagswasser, sodass es zu störendem Stoffeintrag kommen kann. In den Moorbrunnen ist das Wasser überdies braun gefärbt und oft sauer. Eine bessere Grundwassergewinnung ermöglichen Brunnen, die Grundwasser in größerer Tiefe erschließen.Ganz allgemein ist ein Brunnen ein Schacht, der von der Erdoberfläche zum Grundwasser führt und dessen Förderung ermöglicht. Diese erfolgt durch Herauftragen über Leitern und Stufen, durch Heraufziehen mittels Lederbeuteln, Eimern und dergleichen oder durch eine Pumpe. Auf die technische Entwicklung der Brunnenwasserförderung soll hier nicht eingegangen werden. Der Brunnenschacht wird durch Flechtwerk, Balkenauskleidung oder Mauerwerk vor dem Einstürzen der Wände geschützt; bei modernen Rohrbrunnen ist das Bohrloch mit dem Förderrohr ausgekleidet, mittels dessen das Wasser heraufgepumpt wird.Die Erfindung des Brunnens liegt schon lange zurück. Ein gut erhaltener Brunnen der Jungsteinzeit, der im Rheinland ausgegraben wurde, ist in seinem ältesten Teil rund 7100 Jahre alt. Er entstand zur Zeit des Sesshaftwerdens der Menschen und der Einführung der Landwirtschaft in Mitteleuropa. Auch bei der Wasserversorgung von Städten spielten Brunnen schon früh eine Rolle. In der ausgegrabenen Stadt Mohenjo-Daro im heutigen Pakistan gab es vor 4000 Jahren zahlreiche Brunnen. In manchen mittelamerikanischen Maya-Städten spielten Brunnen für das Leben in der Stadt eine ähnlich bedeutsame Rolle wie es in mittelalterlichen und frühneuzeitlichen europäischen Städten der Fall war. Auch viele ländliche Gebiete hatten und haben — vor allem in weniger entwickelten Ländern — zum Teil bis heute Brunnenversorgung.Brunnenwasser ist oft hygienisch bedenklichDa sich Brunnen häufig im Haus oder bei Wohnhäusern, Viehställen oder gewerblichen Ansiedlungen befinden, besteht oft die Gefahr einer Verunreinigung des Brunnenwassers mit versickernden Exkrementen von Mensch und Tier sowie mit gewerblichen Abfällen. Tatsächlich war aus hygienischer Sicht die Brunnenwasserversorgung der Städte bis in die Neuzeit sehr bedenklich und es kam wiederholt zum Ausbruch von trinkwasserbürtigen Seuchen.Mit der Entwicklung der Bakteriologie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde es möglich, die hygienische Untragbarkeit solcher Versorgungssysteme nachzuweisen. Vor allem in den Industrieländern vollzog sich in der Folge rasch der Übergang von der dezentralen Selbstversorgung zur zentralen Gemeinschaftsversorgung aus Großwasserwerken, die hohen hygienischen Standard verwirklichen können. Viele zentrale Wasserversorgungseinrichtungen basieren ganz oder teilweise auf der Grundwassergewinnung, die mittels technisch hoch entwickelter Wasserförderung durch ganze Brunnengalerien stattfindet und eine zentrale Aufbereitung des Rohwassers ermöglicht.Einen Sonderfall der Grundwassererschließung stellt der unterirdische Kanat (Qanat, auch Foggara, Faladj) dar; er ist gewissermaßen ein waagerecht angelegter Brunnen, der als Stollen über größere Entfernung zu einem Berg vorgetrieben wird und dort vorhandenes Grundwasser anzapft. Dieses fließt dann durch den Stollen zu dem Verbrauchsort. Kanate dienten zum einen der Trinkwasserversorgung (in Teheran bis in die 1930er-Jahre), zum andern der Bewässerung. Die Technik ist etwa 3000 Jahre alt und lokal bis in die Gegenwart in Gebrauch.Trinkwasser aus FlüssenDie Nutzung von Flüssen zur Trinkwassergewinnung ist uralt; sie begann mit dem Schöpfen des Wassers, das dann nach Hause getragen wurde — ein Verfahren, das in armen Ländern auch heute noch praktiziert wird. Bereits im Altertum wurde Flusswasser in großem Maßstab zur Trinkwasserversorgung von Städten herangezogen. Ein typisches Beispiel ist Ninive in Mesopotamien; der nahe gelegene Tigris reichte zur Versorgung der wachsenden Bevölkerung nicht aus. Ab etwa 700 v. Chr. wurde deshalb Wasser aus bis zu 50 Kilometer entfernten Flüssen und kleineren Fließgewässern in höherem Niveau über Kanäle in die Stadt geführt. Die Ableitung des Flusswassers wurde durch Stauwerke ermöglicht. In Ägypten waren in einigen größeren Städten schon im dritten Jahrtausend v. Chr. Wasserleitungen in Gebrauch. Sie wurden mit Nilwasser gespeist, das zur Entfernung der Trübstoffe über Siebe und Absetzbecken geleitet wurde, ehe es in Vorratsbehälter gelangte. Zum Heben des Rohwassers auf das notwendige innerstädtische Niveau dienten unter anderem Schöpfräder, die durch Strömung oder mittels der Arbeitskraft von Mensch und Zugtier betrieben wurden. Ähnlich waren die mittelalterlichen Wasserversorgungsanlagen europäischer Städte wie Lübeck, Hamburg oder Leipzig: Das Wasser wurde durch eine Hebevorrichtung so weit angehoben, dass es im Gefälle zu den Zapfstellen fließen konnte; in eingeschalteten »Wasserhäusern« wurde die Fließgeschwindigkeit reduziert, sodass sich gröbere Verunreinigungen absetzen konnten. Eine weiter gehende Aufbereitung des Rohwassers gab es nicht.Die im 19. Jahrhundert als Ersatz für die unzureichende Brunnenwasserversorgung aufkommende zentrale Trinkwasserversorgung benutzte zunächst ebenfalls nur Absetzbecken zur Entfernung gröberer Wasserinhaltsstoffe. Die gesundheitliche Gefährdung der Verbraucher durch die zunehmende Abwasserbelastung wurde dabei vorerst nicht erkannt. Erst nach einer Cholera-Epidemie führte man im Jahr 1852 in London Langsamsandfilter zur weiter gehenden Trinkwasserreinigung ein, eine neue Technik, die bald auch auf dem Kontinent angewendet wurde. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam in den USA der Gebrauch von Schnellsandfiltern mit vorgeschaltetem Absetzbecken und Fällungsmitteln auf. Um 1900 schließlich begann die Entkeimung des Trinkwassers mit Chlor.Die Zunahme der Verunreinigung des Flusswassers durch Abwässer macht in dicht besiedelten und stark industrialisierten Gebieten wie Mitteleuropa seine direkte Verwendung zur Trinkwassergewinnung seit den 1960er-Jahren unmöglich. Man hilft sich mit den in den folgenden Abschnitten skizzierten Verfahren der Uferfiltration und der künstlichen Grundwassererzeugung.Wassergewinnung mittels UferfiltrationZur »natürlichen Uferfiltration« werden in einigem Abstand vom Flussufer Reihen von Brunnen (Brunnengalerien) angelegt und Grundwasser entnommen. In dem Maß, wie Grundwasser abgepumpt wird, sickert verstärkt vom Fluss her Wasser nach. Auf diese Weise wird die natürliche Infiltration von Flusswasser ins Grundwasser gefördert. Das Flusswasser wird bei der Bodenpassage gereinigt. Ist jedoch ein Fluss sehr stark mit organischen Stoffen belastet, können die Poren im Boden verstopfen, die reinigende Wirkung geht verloren. Auch Hochwasser gefährdet Brunnengalerien in ihrer Wirksamkeit. Bei Niedrigwasser geht ihre Leistung stark zurück. Es ist also zur Sicherstellung einer gleichmäßigen Wasserversorgung wichtig, die Wasserführung des Flusses im Jahresgang zu optimieren. Dies kann durch ein System von Talsperren und Flussstauen erfolgen, wie es beispielsweise im Flussgebiet der Ruhr geschehen ist.Künstliche GrundwassererzeugungEs gibt auch die Möglichkeit, Grundwasser künstlich zu erzeugen. Das Prinzip dieses Verfahrens besteht darin, verunreinigtes Wasser aus Flüssen oder anderen Oberflächengewässern gut vorzureinigen und dann zur Versickerung in den Boden zu bringen, sodass sich Grundwasser bildet. Praktisch kann man folgendermaßen vorgehen: Flusswasser wird aus einem Flussstau abgepumpt und in Filterbecken eingebracht, die in der Art eines Langsamsandfilters arbeiten; auf der Oberfläche des Filtersubstrats bildet sich ein biologischer Rasen, also eine vor allem aus Mikroorganismen bestehende Lebensgemeinschaft, die zusammen mit den im Filterinneren lebenden Kleinstlebewesen für den Reinigungseffekt verantwortlich ist. Nach Passage des Filterbetts tritt das gereinigte Flusswasser ins Grundwasser über. Diese künstliche Grundwassererzeugung, auch Grundwasseranreicherung genannt, bietet gegenüber der Uferfiltration Vorteile, da sie durch rechtzeitige Auffüllung der Grundwassermenge Vorrat für Wassermangelperioden schafft und auch bei starker Verunreinigung des Flusswassers noch wirksam ist. Bei Funktionsunfähigkeit des Filterbetts wegen Porenverstopfung kann dieses erneuert werden, was bei der Flusssohle natürlich unmöglich ist. Bei extremer Flussverschmutzung mit Stoffen, die im Filterbett nicht beseitigt werden können oder den biologischen Rasen schädigen würden, besteht darüber hinaus die Möglichkeit, das Rohwasser vor Infiltration ins Grundwasser komplett aufzubereiten, um störende chemische Inhaltsstoffe zu entfernen.Nicht unproblematischIm einfachsten Fall wird Wasser aus Seen wie bei anderen Oberflächengewässern einfach geschöpft — ein Verfahren, das in ärmeren Ländern durchaus noch üblich, aber hygienisch problematisch ist. An Seen gelegene Städte, wie beispielsweise Zürich, leiteten ursprünglich das Rohwasser aus dem See unmittelbar in die Versorgungsleitungen, allenfalls waren Absetzkammern zur Entfernung eventueller Trübstoffe zwischengeschaltet. Im Fall des Zürichsees machte sich Ende des 19. Jahrhunderts die Einleitung von Abwasser in den See nachteilig bemerkbar und zwang zur Aufbereitung des Rohwassers zunächst mit Langsamsandfiltern und später mit einer Kombination der verschiedenen modernen Aufbereitungsmethoden, die vor allem auch Schutz vor der Übertragung abwasserbürtiger Krankheiten bieten sollten. Erst rigorose Maßnahmen zur Fernhaltung von Abwasser beziehungsweise eine nachhaltige Abwasserreinigung haben in jüngster Zeit die zunehmende Verschlechterung der Wasserqualität gestoppt und eine Besserung angebahnt. Das Beispiel Zürichsee kann als typisch gelten für die Entwicklung der Trinkwasserversorgung aus siedlungsnahen, abwasserbelasteten Seen.Bei einer Verunreinigung von Seen mit häuslichem Abwasser spielen mehrere Aspekte eine Rolle. Wie bei Fließgewässern birgt die Einleitung von Fäkalabwasser auch bei Seen die Gefahr der Übertragung von Krankheitserregern; aus hygienischen Gründen muss also das Abwasser in jedem Fall entkeimt werden (zum Beispiel durch Chlorung). Wesentlich ist ferner die Beeinflussung des Sauerstoffhaushalts von Seen durch die organischen Inhaltsstoffe des Abwassers, denn deren Abbau durch Bakterien verbraucht viel Sauerstoff. Da dieser Vorgang vor allem in Bodennähe abläuft, kommt es in Zeiten temperaturbedingter Schichtungen des Wasserkörpers, wie zum Beispiel in Mitteleuropa im Sommer, im Tiefenwasser zu Sauerstoffmangel. Das wiederum führt zum Auftreten von gelöstem Eisen und Mangan, die im Trinkwasser unerwünscht sind und bei der Aufbereitung entfernt werden müssen. Da nur das Tiefenwasser die für Trinkwasser erforderliche niedrige Temperatur hat, ist ein Ausweichen auf sauerstoffreicheres Oberflächenwasser unmöglich: Es ist zu warm und enthält überdies zu viele Kleinlebewesen.Eutrophierung erschwert die WasseraufbereitungAls weiterer Aspekt muss noch die Eutrophierung genannt werden, die durch abwasserbürtige düngende Pflanzennährstoffe, aber auch durch Nährstoffe anderer Herkunft ausgelöst wird und zu verschiedenen ökologischen Veränderungen im See führt. Neben Auswirkungen auf den gesamten Stoffhaushalt, insbesondere den Sauerstoffhaushalt und den Organismenbesatz insgesamt, soll hier die Auslösung von Massenvermehrung kleiner pflanzlicher Organismen (Phytoplankton) erwähnt werden. Insbesondere können — neben anderen — verschiedene Cyanobakterien (»Blaualgen«) und Kieselalgen regelrecht zu Schadorganismen werden, da sie die Filter der Aufbereitungsanlagen verstopfen und überdies schwer entfernbare Geschmacks- und Geruchsstoffe ins Wasser abgeben. Insgesamt werden in eutrophen Seen so kostenaufwendige Aufbereitungsmaßnahmen nötig, dass man wo immer möglich auf oligotrophe, also nährstoffarme Gewässer als Trinkwasserspender zurückgreift.Als Beispiel für einen zur Trinkwassergewinnung hervorragend geeigneten See sei der Bodensee, genauer der Obersee des Bodensees, erwähnt. Hier kommt man mit wenigen Aufbereitungsschritten aus. Aufgrund seiner Größe dient der Bodensee zur Fernwasserversorgung eines großen grund- und oberflächenwasserarmen Gebiets, das den Großraum Stuttgart umschließt und über 2,5 Millionen Menschen versorgt.Trinkwasserversorgung aus SpeicherseenSchon im Altertum war die Speicherung von Wasser zum Ausgleich jahreszeitlicher Schwankungen der Ressourcen oder auch als Vorrat für befestigte Städte im Belagerungsfall gebräuchlich. Die Trinkwassergewinnung ist in vielen Fällen nur eine von mehreren, oft anteilig überwiegenden Nutzungen eines Speichersees, selten die ausschließliche; ein großer Teil der weltweit vorhandenen Speicherseen dient anderen Zwecken, wie der Bewässerung von Kulturpflanzen oder der Wasserkraftgewinnung. Soweit Speicherseen in Form von Talsperren der Regulierung des Wasserstands von Flüssen dienen, haben sie eine Bedeutung für die Trinkwassergewinnung deshalb, weil so die für eine Uferfiltration notwendige Mindestwasserführung gesichert wird. Konkurrierende Nutzungen von Speicherseen können zur Beeinträchtigung der Trinkwassernutzung führen. Dies zum einen hinsichtlich der verfügbaren Menge, nämlich dann, wenn eine überhöhte Wasserentnahme zu anderen Zwecken erfolgt; zum anderen bezüglich der Qualität, beispielsweise bei Nutzung des Gewässers als Waschplatz zur Körperpflege und zur Reinigung von Kleidung oder anderen Wäschestücken, als Viehtränke und Badeplatz von Haustieren oder als Badegewässer zur Erholung. Die hierbei auftretenden hygienischen Belastungen fallen besonders dann ins Gewicht, wenn das Trinkwasser ohne Aufbereitung, insbesondere ohne Entkeimung, konsumiert wird, wie es auch heute noch in armen Ländern durchaus üblich ist.Typische Speicherseen sind die Wasserreservoire Indiens, die seit Jahrtausenden der Speicherung der Monsunniederschläge für die lange Trockenzeit dienen. Diese meist als Tank bezeichneten Gewässer stellen zum Teil künstliche Bodenvertiefungen dar, die wie ein Teich aussehen oder mit gemauerter Uferbefestigung versehene rechteckige Becken sind. Zum Teil haben sie Talsperrencharakter: Erddämme, Steinschüttungen oder Mauern fangen den Abfluss eines größeren Wassereinzugsgebiets auf und speichern ihn. Ist das Gebiet landwirtschaftlich genutzt oder besiedelt, kommt es aufgrund von Nährstoffeinträgen oft zur Eutrophierung, deren Stärke und Folgewirkungen durch die herrschenden hohen Temperaturen noch gefördert werden.TalsperrenTalsperren in unserem heutigen Sinn sind bereits aus dem Altertum bekannt, allerdings dienten nur einige von ihnen der Trinkwassergewinnung; ein Beispiel sind die fast 2000 Jahre alten römerzeitlichen Anlagen von Cornalvo und Proserpina in Spanien, die die Stadt Mérida mit Wasser versorgten. Ebenfalls in Spanien begann im 16. Jahrhundert der Talsperrenbau der Neuzeit, und im 19. Jahrhundert entstand in Großbritannien eine große Zahl von Trinkwasserversorgungssystemen auf der Basis zahlreicher Speicherseen in entlegenen Einzugsgebieten. Hier wie auch in anderen Ländern erwies sich die Staudammtechnik noch als störanfällig: Es kam zu einer Reihe von Dammbrüchen. Bemerkenswert ist, dass schon in dieser Periode in Großbritannien Widerstand gegen Bauvorhaben aus Landschaftsschutzgründen aufkam.Ebenfalls ab dem 19. Jahrhundert entstanden Talsperren zur Trinkwasserversorgung auch in anderen Ländern, insbesondere in Deutschland. Hier liefern heute zahlreiche Talsperren Trinkwasser. Eine Reihe von ihnen wurde speziell zur Trinkwassergewinnung gebaut, so die Genkeltalsperre bei Gummersbach, die Riveristalsperre bei Trier, die Stevertalsperre bei Haltern oder die Wahnbachtalsperre bei Siegburg.Ebenso wie Seen sind auch Talsperren nur im oligotrophen Zustand optimal zur Trinkwassergewinnung geeignet. Jedoch kann es selbst unter diesen Bedingungen aufgrund der Nutzungsweise zu Problemen mit der Wasserqualität kommen. In Trinkwassertalsperren wird nämlich in der Regel das Rohwasser im Tiefenwasser (auch als Hypolimnion bezeichnet) abgepumpt, da nur dieses im Sommer die notwendige niedrige Temperatur hat. Aufgrund der Wasserentnahme verkleinert sich entsprechend das Volumen des Tiefenwassers und zugleich der dort vorhandene Sauerstoffvorrat, der im Sommer für den Abbau der aus dem belichteten, warmen Oberflächenwasser zu Boden sinkenden abgestorbenen pflanzlichen Biomasse benötigt wird. Obgleich diese Menge im oligotrophen See vergleichsweise gering ist, kann es bei stark reduzierter Tiefenwassermenge zu Sauerstoffmangel kommen; als Folge treten wie im eutrophen See auch hier gelöstes Eisen und Mangan auf, die aus dem Rohwasser entfernt werden müssen.Die Nutzung von RegenwasserRegenwasser wird schon seit langer Zeit zur Trinkwasserversorgung genutzt, wenn Mangel an nutzbarem Oberflächen- oder Grundwasser besteht, jedoch Regen in hinlänglicher Menge fällt. Man sammelt den Regenablauf von Dächern oder von speziell angelegten Auffangflächen im Gelände und speichert das Wasser in Sammelbehältern. Diese Regenwasserspeicher heißen Zisternen. Regenwasser hat allerdings wegen seines geringen Gehalts an gelösten Salzen einen wenig ansprechenden Geschmack.Regenwassernutzung war unter anderem im Mittelmeergebiet weit verbreitet und hat dort in ländlichen Gebieten auch heute noch Bedeutung. In Mitteleuropa wurde Regenwasser bis um 1950 in solchen Gebieten genutzt, wo sonst nur brackiges, also salzhaltiges Wasser oder braun gefärbtes Moorwasser zur Verfügung steht, so beispielsweise im ostfriesischen und schleswig-holsteinischen Nordseeküstenraum. Regenwassergewinnung wird heute in manchen ländlichen Gebieten weniger entwickelter Länder zur Ergänzung oder als Ersatz von unzureichenden öffentlichen Wasserversorgungsanlagen propagiert und kann in der Tat dort eine Versorgungslücke schließen.Die an anderer Stelle besprochenen Speicherbecken für oberflächlich abfließendes Niederschlagswasser stellen auch eine Art Regenwassernutzung dar; das Wasser hat hier aber so viel Kontakt mit dem Erdreich, dass die Wasserqualität der von üblichem Süßwasser entspricht. Ein Sonderfall der Regenwassernutzung findet sich im Dünengebiet der deutschen und niederländischen Nordseeküste. Hier lagert im Dünenuntergrund aus versickerndem Regenwasser stammendes Süßwasser über tiefer liegendem, vom Meer stammenden Salzwasser. Um das Schwinden und Versalzen des Süßwasservorkommens infolge starker Trinkwasserentnahme zu kompensieren, legt man zur Speicherung von Niederschlagswasser künstliche Dünenseen an, aus denen eine starke Grundwasserinfiltration stattfindet.Entsalzen von MeerwasserMeerwasser hat in der Vergangenheit keine Rolle für die Wasserversorgung der Menschen gespielt. Viele Schiffbrüchige sind — obwohl umgeben von unermesslichen Wassermassen — verdurstet: Der hohe Salzgehalt des Meerwassers (im Mittel 35 Gramm pro Liter, davon rund 31 Gramm Natriumchlorid, also Kochsalz) macht es unbekömmlich. Angesichts der Süßwasserknappheit in vielen küstennahen Regionen kommt einer Entsalzung und damit Nutzbarmachung des Meerwassers eine große, zukünftig noch steigende Bedeutung zu.In der Natur gibt es zwei Entsalzungsvorgänge: Zum einen wird Meerwasser entsalzt, wenn es gefriert; da der Vorgang jedoch unvollständig ist, enthält Meereis noch gewisse Salzmengen. Zum anderen entsteht bei der Verdunstung und der späteren Wolkenbildung salzfreies Wasser, das als Regen oder Schnee in den weltweiten Wasserkreislauf eingeht. Der Mensch hat diese durch Sonnenenergie angetriebene Destillation schon seit längerem nachgeahmt. Solange man aber nur die Sonne als Wärmeenergielieferanten verwendete, ließen sich nur kleinere Süßwassermengen gewinnen. Auf Hochseeschiffen baute man Ende des 19. Jahrhunderts Destillationsanlagen ein, die mit der Abwärme der Motoren arbeiteten. Zunächst gewann man Brauchwasser für die Dampfmaschinen, später dann für Trinkwasser. Um 1950 entstanden die ersten großtechnischen Meerwasserentsalzungsanlagen auf Destillationsbasis (Entsalzung durch Entspannungsverdampfung) an Land, die Siedlungen mit Trinkwasser versorgten. Etwas später kamen zwei weitere Entsalzungstechniken auf: Die Elektrodialyse und die Umkehrosmose (auch Hyperfiltration genannt).Mit der steigenden Leistungsfähigkeit der Anlagen gingen die anfänglich sehr hohen Wasserpreise auf ein niedrigeres Niveau zurück, sodass heute entsalztes Meerwasser regional auch zur Bewässerung eingesetzt wird. Insgesamt wird derzeit in schätzungsweise 8000 Entsalzungsanlagen jährlich Süßwasser in einer Größenordnung von 5 km3 (5 Kubikkilometer oder 5 Milliarden m3) erzeugt. Zum Vergleich: Die jährliche Entnahme von Süßwasser aus den verschiedenen Ressourcen für Haushaltszwecke beträgt 260 km3 (beziehungsweise 260 Milliarden m3). Trotz aller Fortschritte sind die Gestehungspreise immer noch so hoch, dass die Meerwasserentsalzung derzeit nur für reiche Länder wie zum Beispiel die Ölförderländer Nordafrikas und Arabiens eine wirklich umfassend anwendbare Technik zur Süßwassergewinnung geworden ist.Prof. Dr. Hartmut BickWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Trinkwasser: Ressourcen und QualitätTrinkwasser: VersorgungsproblemeGrundlegende Informationen finden Sie unter:Grundwasser: Herkunft, Neubildung, BedeutungGuidelines for drinking-water quality, herausgegeben von der Weltgesundheitsorganisation. Bände 1 und 2. Genf 21993-96, Band 1 Nachdr. 1996.Klee, Otto: Angewandte Hydrobiologie. Trinkwasser - Abwasser - Gewässerschutz. Stuttgart u. a. 21991.Das Wasserbuch. Trinkwasser und Gesundheit, herausgegeben von Katalyse e. V., Institut für Angewandte Umweltforschung. Neuausgabe Köln 1993.
Universal-Lexikon. 2012.